Wer war Willi Ohlendorf?

Ehrlich gesagt, als ich die Mitteilung bekam, dass ich für diese Ehrung ausgewählt worden bin, kannte ich nur den Namen von Willi Ohlendorf.

Als ich mich dann mit seiner Geschichte beschäftigte, hatte ich Tränen in den Augen und wusste nicht, ob ich diese Ehrung überhaupt annehmen kann. Es waren Tränen der Wut und der Entrüstung, es war das Gefühl, das Menschen oft dazu bringt aktiv zu werden und sich einzuschalten. (...) Lebensgeschichten, wie die von Willi Ohlendorf, sein Widerstand und sein Tod, tragen dazu bei, nicht aufzuhören.

Willi Ohlendorf
23. April 1901 geboren
26. November 1944 eines gewaltsamen Todes gestorben

 

 

 

 

 

 

 

 

 


(Bild: SPD-Stadtratsfraktion Bobingen)


"Ohlendorf hat versucht, die Kollegen gegen
den Nationalsozialismus
zu gewinnen"

Willi Ohlendorf hat sich bedingungslos gegen die nationalsozialistische Diktatur und den heraufziehenden Krieg gestellt, obwohl er eine Familie mit drei kleinen Kindern hatte. Er arbeitete als Ingeneuer bei der IG-Farben-Fabrik in Bobingen. Er war Mitglied des ISK ("Internationaler Sozialistischer Kampfbund").

Am 21. April 1939, wird der Widerstandskämpfer Willi Ohlendorf verurteilt.
Die bürgerlichen Ehrenrechte werden ihm aberkannt.
Der Volksgerichtshof München wirft ihm umfassende politische Agitation der Arbeitskollegen im IG-Farben-Werk in Bobingen vor, "Ohlendorf habe versucht, die Kollegen gegen den Nationalsozialismus zu gewinnen." In der Anklageschrift gibt Ohlendorf an, "er selbst habe den Hitlergruß nicht gebraucht, weil er zu ehrlich sei". Ohlendorf gab seinen Verfolgern am Ende schriftlich, er könne "die nationalsozialistische Weltanschauung nicht anerkennen".
Verurteilt wird Ohlendorf durch die NS-Unrechtsjustiz, dem Vizepräsidenten des Volksgerichtshof in München (Engert) und zwei SA-Brigadeführern. Das Urteil lautet auf "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens".

Dachau und Buchenwald

Am 26. Mai 1939 wird Willi Ohlendorf in das Zuchthaus in Amberg als politischer Gefangener überstellt. Sechs Jahre dauerte sein Weg durch die Zuchthäuser Amberg und Kassel. Anschließend wird er am 25. September 1944 in das Konzentrationslager Dachau überführt und als Häftling Nr. 111675 registriert.
Willi Ohlendorf wird mit mehreren Hundert französischen Gefangenen nach Gandersheim, einem Außenlager des KZ Buchenwald, verlegt. Er stirbt dort vollkommen entkräftet und verzweifelt am 26. November 1944.

Reinhold Lenski und Alexandra Herz


Dass diese Daten und die Geschichte Willi Ohlendorfs erhalten geblieben sind, haben wir dem Kulturamtsleiter der Stadt Bobingen (2009) Reinhold Lenski und der Abiturientin Alexandra Herz zu verdanken, die 2005 eine Facharbeit über Ohlendorf schrieb.
Dafür übergab ihr der frühere Bundesjustizminister Dr. Hans Jochen Vogel den von der SPD Bobingen geschaffenen Willi Ohlendorf Preis. Es war ein Aufruf zur Wachsamkeit und ein Preis gegen das Vergessen.

 

"Ohlendorf gab seinen Verfolgern am Ende schriftlich er könne die nationalsozialistische Weltanschauung nicht anerkennen trotz aller nüchternen Sachlichkeit des Ton seiner dokumentarischen Arbeit erschrecken dennoch die Details die Lenski heute in Erinnerung ruft. Aus den Vernehmungsprotokollen ist auch ersichtlich das Willi Ohlendorf versuchte alle anderen Personen und auch Arbeitskollegen aus dem sogenannten aus dem Sog der Anklage herauszuhalten." (Zitat Augsburger Allgemeine vom 19.4.2009)

 

Reinhold Lenski zitiert ein Flugblatt des ISK (Int. Sozialistischer Kampfbund, in dem Ohlendorf Mitglied war) zum 1. Mai 1937:
Im Dritten Reich hält sich die Wirtschaft nur mühsam aufrecht durch Staatsaufträge für Rüstungszwecke nicht aber wie die NS versprochen hat durch die eigene Initiative der Wirtschaft selber. Die viel gepriesene Minderung der Arbeitslosigkeit ist feig erpresst durch Einführung der ägyptischen Sklaverei (Beseitigung der Freizügigkeit der Metall und Landarbeiter, Arbeitsdienstpflicht) - teils erkauft durch die Vorbereitung eines neuen barbarischen Weltkrieges. Zudem bedeutet der Wiederaufbau der Rüstungsindustrie: auf den Schlachtfeldern werden wir mit unserem Blut den Preis für diese Art von nationalsozialistischer Arbeitsbeschaffung zahlen."

 

Dachau und Buchenwald

Lenski fasst zusammen: "Diese Menschen haben unter Einsatz ihres Lebens Demokratie und Charakterstärke vorgelebt und Grundideen weitergegeben die unter anderem von Willi Eichler dem Vorsitzenden des ISK und späteren Vorstandsmitglied des SPD Parteivorstandes eingebracht worden sind. Damit leben diese freiheitlichen humanen und demokratischen Ideen bis heute in der ganzen Welt, weiter."

Der ISK als Widerstandsgruppe in Augsburg

Der Augsburger Hans Walch, war ebenfalls Mitglied des ISK. 1980 habe ich ihn interviewt. Er erzählte mir, dass der ISK sehr nachhaltige und eindrucksvolle Aktionen gegen das NS-Regime durchgeführt hat. In der Augsburger Bahnhofstraße haben sie sich getroffen. Jeder hatte einen Koffer dabei. Sie stellten die Koffer hin und erzählten sich lange Geschichten. So hatte die Säure, die unter den Koffern aktiv wurde, genug Zeit den Boden zu verätzen. Sie verabschiedeten sich freundlich. Jeder ging in eine andere Richtung. Auf dem Boden stand „Nieder mit Hitler“.
Er erzählte mit einem Lächeln im Gesicht, dass die Mitarbeiter der Straßenreinigung vergeblich versucht haben den Schriftzug zu entfernen und dass dabei über Tage die Schrift noch intensiver sichtbar wurde.

Hans Walch wurde ebenfalls verhaftet und war insgesamt fast 10 Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern. Mit Tränen in den Augen erzählt er, in meinem Film „Vorwärts und nicht vergessen“ (Augsburg 1985), wie ihm seine Bayerischen Kameraden das Leben retteten.
Nach Hans und seiner Frau Anna ist in Augsburg eine Straße benannt.

Josef Pröll, 14.02.2020